Warum Verkostungen?

Zeugnisverteilung – über Sinn und Unsinn von Vergleichsverkostungen
Wenn Ende Juni der neueste Falstaff Wein und Destillate Guide ausgeliefert wird, wenn Wirte, Winzer und Brenner erwartungsfroh den ersten Blick darauf werfen und insgeheim auf Ruhm und Ehre hoffen, gibt es genau deshalb nicht selten lange Gesichter. Die Diskussion über Sinn und Unsinn von Bewertungen erhält spätestens um diese Jahreszeit neue Nahrung. Warum werten wir, warum vergleichen wir, was nehmen wir uns dabei heraus?
1. Warum machen wir Verkostungen? Weil wir wissen wollen wer die Besten sind. Weil wir damit einen Ansporn geben wollen und weil wir den Produzenten ein möglichst neutrales Feed back geben wollen. Weil vor allem, das ist das Wichtigste, wir dem Schnapsliebhaber und einen möglichst objektiven, übersichtlichen und transparenten Ratgeber bieten wollen – wie sonst sollte man erfahren wo der heilige Schnaps-Gral hockt und was er kostet? Letzteres ist der größte Unterschied zwischen unserer Wertung und anderen vergleichbaren Veranstaltungen: Wir machen Wertungen für den Konsumenten und hängen nicht jedem einigermaßen gelungenen Brand eine Goldene um. Unseren Diamanten bekommen nur die Allerbesten! Manche Brenner mögen das nicht, ihnen ist nach PR-Wirksamem, doch fühlen wir uns in dieser Hinsicht dem Leser mehr verpflichtet.
2. Hat sich unsere Methode bewährt? Jedes Destillat soll unter ähnlichen Bedingungen verkostet werden: Jede Flasche wird einige Tage zuvor aufgemacht und belüftet. Die Temperatur sollte 18 °C nicht übersteigen. Jedem Brand soll die erforderliche Zeit eingeräumt werden – nicht selten verändern sich Geruch und Geschmack während wir noch darüber diskutieren. Jeder Brand wird aus drei sehr unterschiedlichen Glastypen verkostet um alle Nuancen erfassen zu können. Es wird konsequent verdeckt verkostet. Alles, was die Verkoster über eine Probe wissen ist die Fruchtgruppe und dass die Brände nach aufsteigendem Alkohol gereiht sind. Anhand einer Nummer wird dann ein blankes Datenblatt aufgerufen und ausgefüllt.
3. Pi mal Daumen oder wie? Wir verkosten seit Jahren in einem sehr kleinen Team. Die Bewertung in großen Gruppen hat sich nicht bewährt, weil die Ergebnisse sehr heterogen ausfallen. Unser Team aus drei Leuten verkostet sämtliche für eine Verkostung eingereichte Destillate. Das kann zwar auch einmal 14 Tage in Anspruch nehmen, gewährleistet aber ein stringentes Niveau. Und weil uns bewusst ist, dass selbst gewissenhaft durchgeführte Verkostungen keine im strengen Sinn objektiven Ergebnisse erbringen, stehen wir erst recht zu unseren subjektiven Wertungen. Wir verzichten auf tabellarisch ermittelte Ergebnisse – in der Überzeugung, dass ein guter Koster intuitiv sehr rasch weiß, auf welchem Niveau ein Destillat liegt, einzelnes Bewerten von Kategorien wie Harmonie und Sauberkeit und die nachträgliche Addition solcher Werte verstellen nur den Blick auf das Ganze. Können sich die Experten nicht auf eine gemeinsame Wertung einigen wird dieses Destillat zu einem späteren Zeitpunkt nochmals verkostet und vielleicht auch noch ein weiteres Mal.
4. Wie halten die Verkoster das aus? Eine häufig gestellte und dadurch nicht weniger gerechtfertigte Frage! Destillatverkostungen sind Kraft raubend, aber vergleichbar mit Weinverkostungen. Nur ist bei etwa 60 Bränden pro Tag seriöserweise Schluss. Und das ist nur machbar, wenn konsequent gespuckt wird und Pausen gemacht werden, wenn bei Bedarf ein Stück Brot, eine Fritattensuppe (wirkt Wunder) und viel Wasser bereit stehen. Doch ist man selbst unter solchen Bedingungen am Abend nicht mehr fahrtüchtig.
5. In der Zeit liegt die Tücke. Die Krux bei aller Mühe ist: Jedes Destillate verändern sich mehr oder weniger. Daher bleibt eine Bewertung höchstens im Moment der Verkostung nachvollziehbar. Mit diesem Dilemma müssen alle Verkoster von Lebensmitteln leben. Wir wollen für uns aber in Anspruch nehmen, dass unsere Ergebnisse stets Brenner an der Spitze sehen, die diese Position wiederholt durch gute Produkte rechtfertigen, gleichzeitig ist unser Ranking nicht stereotyp, es lebt und gibt auch Außenseitern eine Chance. Wichtigste Voraussetzung dafür ist eine große Bereitschaft zur Unvoreingenommenheit. Vorlieben, wie manche Brenner sie bei uns zu erkennen vermeinen, können wir nicht nachvollziehen.
6. Hausaufgaben. Natürlich legen wir Wert auf technisch und legal einwandfreie, verkehrsfähige Ware und darüber hinaus auf 100 %ige Fruchtdestillate, denen nach der Destillation kein Zucker zugefügt wurde, weil wir das für eine unredliche Schönung halten, auch wenn sie bei Cognac und vor allem Grappa übliche Praxis ist. Das wird im Labor geprüft – so hat es beispielsweise heuer einen sehr gelungenen Weinbrand erwischt, der nun keinen Diamant bekommt, sondern ein Pummerl. C’est la vie avec des eaux-de-vie.
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